Zeugnis der NeckarflössereiDer Dachstuhl
Der Dachstuhl des Schlosses in Kirchheim unter Teck bietet spannende Einblicke in die Handelsbeziehungen und Konstruktionsweisen württembergischer Bauleute im 16. Jahrhundert.
Statt auf Eichenholz, das zur Erbauungszeit des Schlosses in der Umgebung von Kirchheim unter Teck wuchs, griffen die Bauleute im 16. Jahrhundert für die Konstruktion des Dachstuhls überwiegend auf Nadelholz aus dem Schwarzwald zurück. Die langen und geraden Stämme eigneten sich besonders gut zum Überspannen der 15 Meter breiten Dachfläche. Außerdem ist Nadelholz durch die längeren Fasern weniger brüchig als Eichenholz und hält deshalb den Zugkräften eines Dachstuhls besser stand.
Für seine zahlreichen Bauprojekte, zu denen auch der Ausbau der Landesfestung in Kirchheim zählte, benötigte Herzog Ulrich eine verlässliche Quelle für die Baumaterialien. Er ließ deshalb im Schwarzwald bereits in den 1530er-Jahren den oberen Bereich des Flüsschens Glatt für die Flößerei ausbauen. Von dort aus wurden die benötigten Holzstämme möglichst nah zu den herzoglichen Baustellen transportiert.
Deutlich günstiger als auf dem Landweg konnten die Holzstämme über die Flussläufe der Glatt, der Enz und insbesondere des Neckars befördert werden. Dazu wurden die Balken zu langen Flößen zusammengebunden. Auf diese Weise gelangten vom 16. bis zum 19. Jahrhundert große Mengen an Brenn- und Bauholz aus dem Schwarzwald in die Region Stuttgart.
Besonders auffällig an den Dachbalken des Schlosses Kirchheim unter Teck sind die sogenannten „Wiedlöcher“. Eine Wiede ist ein aus Weidenästen gedrehtes oder geflochtenes Seil. Durch die dreieckig eingekerbten Löcher in den Dachbalken zog man die Wieden, um die Stämme beim Flößen miteinander zu verbinden. Neben diesen markanten Löchern in den Balken deuten häufig auch weitere Einkerbungen als Transportmarkierungen auf die Flößerei hin.