KINDHEIT IN DER PFALZ
Das Städtchen Kirchheim in der Pfalz, heute Kirchheim-Bolanden, war die Residenz des kleinen Fürstentums Nassau-Weilburg. Henriette wurde am 22. April 1780 dort geboren. Sie war das jüngste Kind von Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg und Wilhelmina Karolina von Oranien-Nassau. Der Tod ihrer Mutter 1787, auf den nur 18 Monate später der Tod des Vaters folgte, brachte eine erste Zäsur in ihrem Leben. Der einzige Bruder Henriettes übernahm die Vormundschaft und ließ ihre sorgfältige Erziehung fortsetzen. Als die Koalitionskriege ausbrachen, floh die Familie aus der Pfalz, die den ersten Kriegsschauplatz bot.
HERZOG LUDWIG VON WÜRTTEMBERG TAUCHT AUF
Henriette und ihre Geschwister landeten schließlich im Frühjahr 1796 im Exil im damals preußischen Bayreuth. Dort war Herzog Ludwig von Württemberg (1756-1817) als Gouverneur stationiert, der viel Zeit bei den zahlreichen adeligen Flüchtlingsfamilien in Bayreuth verbrachte. Dabei fiel ihm die gerade 16 Jahre alte Henriette auf. Noch im September 1796 erfolgte die Verlobung und nur wenige Monate später, am 28. Januar 1797, heiratete Henriette den Herzog. Der Bräutigam war knapp 25 Jahre älter als sie.
EINE EHE MIT EINEM LUXUSVERWÖHNTEN EHEMANN
Henriettes Ehemann Ludwig, auch Louis genannt, war ein Bruder von König Friedrich I. von Württemberg. Er stand ursprünglich in preußischen und später in russischen Militärdiensten, ehe er Feldmarschall der württembergischen Kavallerie wurde. Schon in jungen Jahren pflegte Ludwig einen luxuriösen Lebensstil. Eine erste Heirat mit einer reichen polnischen Adligen half ihm nur vorübergehend. Bei der Hochzeit wusste Henriette nichts von den Geldproblemen ihres Bräutigams. Henriette brachte 30.000 Gulden Mitgift in die Ehe, von Ludwig sollte sie 1.500 Gulden Handgeld erhalten, zudem durfte sie ihren reformierten Glauben weiterhin ausüben.
VERBANNT VOM WÜRTTEMBERGISCHEN HOF
Über die Jahre häufte Herzog Ludwig einen Schuldenberg von rund 1,5 Millionen Gulden an. 1810 kam es zum Skandal: Entsetzt über das Verhalten seines Bruders verbannte König Friedrich die ganze Familie vom königlichen Hof. Sie erhielt Schloss Kirchheim, 1811 durch den Tod der Franziska von Hohenheim frei geworden, als Aufenthaltsort zugewiesen. Herzogin Henriette war sicher wenig begeistert über ihren Umzug. In den Jahren zuvor hatte sie das Hofleben in Ludwigsburg, Stuttgart und Pawlowsk genossen – da musste ihr das verschlafene Ackerbürgerstädtchen als Rückschritt erscheinen. Immerhin konnte sie mit dem Ortsnamen Kindheitserinnerungen verbinden. In Kirchheim unter Teck lebte das Paar mit ihren fünf Kindern unter strengen Auflagen. Ludwig wurde überwacht und seine Briefe zensiert, damit er keine weiteren Kredite aufnehmen oder neue Spielschulden machen konnte.
IHR WIRKEN ALS WITWE
Bereits 1817 starb Herzog Ludwig und die 40-jährige Witwenzeit Henriettes begann. In den folgenden Jahren widmete sich Henriette der Aufgabe, ihre Kinder standesgemäß zu verheiraten. Neben der Ranggleichheit und politischen Allianzen spielten finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle, ebenso die Konfession, Liebe dagegen selten. Die von Henriette gestifteten Ehen ihrer Kinder waren zwar nicht alle glücklich, aber auf jeden Fall vorteilhaft. Immerhin ist Königin Elisabeth II. von England eine Ur-Ur-Urenkelin von Henriette! Nachdem drei Töchter aus dem Haus waren, begann Henriette ihr karitatives Engagement in Kirchheim. Das Waisenhaus (1826), das nach dem Stuttgarter Vorbild den Namen ihrer Tochter Pauline erhielt, und das Städtische Krankenhaus (1840) wurden ihre wichtigsten Projekte.
Information
Aktuell ist das Schloss Kirchheim wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ebenso wie alle Kultureinrichtungen geschlossen.